„Der James-Bond-Film war eine Frechheit“: Schauspiellegende Klaus Maria Brandauer im Interview (2024)

Herr Brandauer, Sie sind eben 80 Jahre alt geworden und haben wichtige Hauptrollen des deutschsprachigen Theaters ausgefüllt – von König Lear bis Jedermann. Gibt es eine Rolle, die Sie noch spielten wollen?

Ich hatte immer großes Glück mit meinen Rollen, muss ich sagen. Die Theaterleute besetzten mich immer. Über fehlende Rollen habe ich bisher nicht nachgedacht; es gibt keine imaginäre Liste von schönen Rollen, auf der ich noch leere Stellen sehe. Am liebsten lasse ich die Dinge auf mich kommen.

Wie kamen sie zur Schauspielerei?

Früh schon bekam ich Kontakt zum Theater. Als Kind durfte ich den Struwwelpeter spielen. Später wurde die Laienbühne in Oberkirch am Rande des Schwarzwalds für mich prägend – das waren die ersten Einblicke in die Welt des Theaters und die ersten Schritte, die ich selbst versuchte.

Ich hing an den Gesten und dem Sprechen dieser begabten Leute – wie gesagt, alles Amateure. Das Theater selbst war in einer Baracke untergebracht, welche von den französischen Besatzern freigegeben wurde. Das werde ich nie vergessen.

Schauspielen ist nicht der klassische Brotberuf. Wie haben Ihre Eltern reagiert auf ihren Hunger nach allem Dramatischen?

Meine Mutter hat mich ohne Vorbehalte unterstützt, der Vater war eher skeptisch. Sie förderte meine Leidenschaft. Regelmäßig durfte ich von Oberkirch aus in die Theater nach Karlsruhe oder Baden-Baden fahren und dort aktuelle Inszenierungen ansehen.

Wie stand Ihr Vater zu den künstlerischen Ambitionen?

Der Vater sagte nur: „Suche dir eine ordentliche Schule aus, wo du was lernst.“ Außerdem nahm er mir das Versprechen ab, dass ich jedes Wochenende nach Hause komme, damit er mir das ausreden konnte! Es ist ihm nicht gelungen.

Eine Frage über einen Darsteller, der Landsmann von Ihnen ist: Wie sehen Sie Hans Moser?

Ein großer Schauspieler, den ich sehr verehre. Man konnte mit und über ihn lachen. Übrigens war er auch abseits des Films ein grandioser Theatermensch.

Die Menschen, die Sie darstellen, sind oft im Zwielicht angesiedelt. Da gibt es zum Beispiel den Oberst Redl, der österreichischer Offizier ist und zugleich für die Russen spioniert ...

… warum Zwielicht? Der Alfred Redl ist eine arme Sau, um es mal so zu sagen. Sein Vater war bei der Eisenbahn, die Familie hatte kaum etwas zu essen. An der Wand hängt das Bild des Kaisers, aber davon wird keiner satt. Verwundert es wirklich, dass er sich zwei Mal verdingt? Ich bin für Ausnahmen, man muss auch Ausnahmen zulassen.

Von Oberst Redl zu Commander James Bond. Wie kamen Sie zur Rolle in dem Bond-Film „Sag niemals nie“?

Eine Frechheit war das, eine Frechheit! Bisher wirkte ich bei Filmen mit, die das Gesicht Europas spiegeln mit seiner ungeheuren Tiefe. Und dann sollte ich in einem Bond mitspielen. Die Drehbücher dafür sind doch nur Operette. Worum geht es da? Es ging damals um den Kalten Krieg. Die Bösen kommen aus dem Osten, vorzugsweise der Sowjetunion. Die Guten sind die Briten und US-Amerikaner.

Die erste Anfrage lehnte ich ab. Dann hat mich Sean Connery bekniet und auf seine unnachahmliche Art gesagt: „We will have a lot of fun and a lot of money.“ Da gab ich nach. Connery hatte recht, wir hatten einen Haufen Spaß und gut verdient habe ich dazu.

In „Sag niemals nie“ spielen Sie den Bösewicht Largo und tragen ein blütenweißes Jackett.

Das ist eine verrückte Geschichte: Die Kostümbildner kamen zu mir nach Altaussee, um mich vor Drehbeginn einzukleiden. Sie wollten, dass Largo einen Buckel hat – so ein Käse. Das habe ich abgelehnt. Und Largo sollte einen hohen Kragen tragen. Auch abgelehnt. Stattdessen trug ich ein schwarzes Shirt und drüber das Jackett.

Wollten sie nie länger in Hollywood bleiben?

Nein, es gab Angebote. Aber dort wohnen wollte ich nicht. Was soll ich in Los Angeles?

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Ihr Herz gehört dem Burgtheater. Seit mehr als 50 Jahren stehen Sie dort auf den Brettern.

Schon als Kind wollte ich dorthin. Ich hatte schon viel darüber gehört, bevor ich dort engagiert wurde. Ein weit gespannter Bogen: Mein erstes Engagement hatte ich am Landestheater Tübingen, dort spielte ich einen Lustknaben von Julius Cäsar. Die erste Kritik dazu war sehr durchwachsen.

Lesen sie noch, was über Sie geschrieben wird?

Klar, alles lese ich. Und schnell merke ich, wo der Schreiber steht. Da gibt es starke Gruppen, die in der Kultur das Sagen haben. Die haben dann Einfluss, auch wenn sich diese Menschen für die Stücke oft nicht interessieren.

In Ihrem Lebenslauf als Akteur steht auch der „Jedermann“.

Acht Jahre lang interpretierte ich ihn. Die Atmosphäre in Salzburg ist ganz besonders. Der Text ist sehr altertümlich, Hugo von Hofmannsthal hat das bewusst so geschrieben. Man kann in der Rolle des Jedermann viele Ausflüge zu sich selbst machen. Mir war das eine große Freude und Ehre.

Was heißt das: Ausflüge zu sich selbst?

Mit dieser Rolle erhalte ich die Möglichkeit, 90 Minuten dem eigenen Sterben zuzusehen. Der Darsteller des Jedermann ist mit seinem eigenen Tod konfrontiert, der ihn aus dem Leben herausreißt.

Dann ist diese Rolle und jede andere auch nicht nur ein Kleid, das man sich überwirft und auf die Schnelle verkleidet?

Wer sich nur verkleidet, kann am Theater gleich nachhause gehen. Am besten sind die Schauspieler in dem Moment, in dem sie selber sind. Unverstellt.

Sie spielten Theater und waren beim Film. Agieren sie vor der Kamera anders als auf der Bühne?

Nein, warum soll das anders sein? Beide Stätten stehen für ein eigenes kulturelles Umfeld. Im Theater kaufen sich die Leute eine Karte. Wenn es dumm geht, stören sie sich gegenseitig. Sie husten selbst und hören die Schauspieler beim Atmen. Das entfällt beim Film.

Sind Sie noch aufgeregt, wenn sich der Vorhang öffnet und Sie zu sprechen beginnen?

Wenn ich morgens aufstehe und weiß, dass ich abends eine Vorstellung bestreite, bin ich schon einmal gepolt. Dann gestatte ich mir keine gedanklichen Ausflüge tagsüber. Ich konzentriere mich schon morgens auf den Abend und gehe dann geradewegs auf den Auftritt zu.

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