Klaus Maria Brandauer kommt in die Münchner Isarphilharmonie: Teuflisch gut! (2024)

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Von: Katja Kraft

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Klaus Maria Brandauer kommt in die Münchner Isarphilharmonie: Teuflisch gut! (1)

Klaus Maria Brandauer taucht am 13. Januar 2023 in der Münchner Isarphilharmonie in seine größten Rollen aus 60 Jahren ein. Ein Interview mit dem Theater- und Filmstar über die Kunst des Schauspiels, Weisheit, Genie und Wahnsinn.

Ein Interview mit Klaus Maria Brandauer (79) ist selbst wie ein kleines Theaterstück. Der österreichische Bühnen-, Film- und Fernseh-Star schlüpft beim Erzählen von einer Rolle in die nächste. Und bleibt doch immer der charmante, kluge, begeisternde Mensch, der seit 60 Jahren auf den Bühnen dieser Welt mitreißt. Seit 1972 ist er Ensemblemitglied und Regisseur am Burgtheater. International bekannt wurde er 1981 als Höfgen in István Szabós Verfilmung des Klaus-Mann-Romans „Mephisto“, sie gewann den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Am 13. Januar 2023 gestaltet Brandauer in der Isarphilharmonie „Fast ein Hamlet mein Mephisto, ein Ödipus für Jedermann“. Ab 20 Uhr wird er Texte aus 60 Bühnenjahren gestalten. Noch gibt es Karten bei München Ticket. Ein Gespräch mit ihm macht große Lust darauf.

Sie sagen, für gutes Schauspiel brauche es Kunst, Handwerk und Heiterkeit. Kann also jeder lernen, Schauspieler zu werden?

Klaus Maria Brandauer: Versuchen kann man es jedenfalls. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir doch, dass es sehr, sehr viele Schauspieler gibt auf der Welt, die gar nicht ausgebildet sind – und trotzdem ausgezeichnet schauspielen können. Allerdings meist nur in Bezug auf sich selbst. Ich persönlich habe in der Volksschule den Struwwelpeter gespielt und war in dieser Rolle ungeheuer bös’ zu den Leuten. Da haben die gesagt: „Der Klaus wird einmal ein Schauspieler!“ Keine Ahnung, nun bin ich’s, glaube ich, geworden. (Grinst verschmitzt.)

Henrik Ibsen befand: „Etwas Gescheiteres kann einer doch nicht treiben in dieser schönen Welt, als zu spielen.“ Würden Sie das unterschreiben?

Klaus Maria Brandauer: Na ja, es ist sicher schön zu spielen, das wissen wir von unserer Kindheit. Aber immer nur spielen – dazu ist unsere Welt nicht geeignet, das lernt man sehr schnell. Es ist schon besser, wir haben etwas zum Festhalten, das mehr ist als Spiel. Wir brauchen viele Einflüsse, damit wir in der Welt zurechtkommen. Durchs Leben führen uns offene Augen und offene Ohren. Und lernen, was reingeht.

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Was war Ihre Triebfeder für den Beruf des Schauspielers? Denn auch der ist ja nicht bloßes Spiel, sondern harte Arbeit.

Klaus Maria Brandauer: Oh, das war so schön, als mir das Textlernen noch keine Schwierigkeiten bereitet hat. Ich musste eine Seite nur zwei-, dreimal durchlesen – und schon habe ich auf jeden Fall mal den Text gekonnt. Verstanden habe ich ihn vielleicht nicht gleich, aber ich habe ihn gekonnt. Hinter den Buchstaben steht ja etwas von hoffentlich guten Leuten geschrieben, das man nicht einfach nur auswendig lernen kann. Sie müssen es tatsächlich mit Hilfe der anderen am Stück Beteiligten interpretieren. Sehr genau, sehr klar und, was ganz wichtig ist: ehrlich. Spielen im Sinne von so tun als ob – damit könnte ich nichts anfangen. Ich möchte so gerne der sein, den ich vorgebe zu spielen. Ich weiß, dass es nicht geht, aber probieren tut man’s! Ich probier das! Das muss her, der bin ich!

Wird man als Schauspieler besser, je älter man wird?

Klaus Maria Brandauer: Das wäre schön. Dann kann man immer sagen: Ich bin noch nicht soweit, aber wart’, wenn ich 30 bin! Doch sicherlich kriegt man mit den Jahren das Handwerk besser in den Griff. Und Schauspielerei lebt tatsächlich von der Erfahrung, die wir im Leben gemacht haben. Es ist viel Beobachtung, viel lernen, viel lesen, viel sehen. Und trotzdem: Heiterkeit.

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Was haben Sie durch einen Goethe gelernt?

Klaus Maria Brandauer: Ach, Goethe: Ein schier unendlicher Kosmos, in dem man sich nicht gleich, aber nach einer gewissen Zeit mit wirklich fleißigem Lesen und Studieren gut einrichten kann. Er ist ein großes Vorbild, was man alles bedenken soll im Leben, damit man durchkommt. Und trotzdem ist natürlich auch ein Goethe nicht vor Schrecklichkeiten und Eitelkeiten gefeit, das ist so angenehm bei den Burschen. Erleichternd! Das sind Genies aber da klappt’s dort und dort nicht. Auch Shakespeare: Er ist einer von uns. Manchmal denke ich: Wieso kennt der mich so gut? Der versteht solche kleinen Leute wie mich.

Erleichternd – aber gleichzeitig ernüchternd? Weil es zeigt: Man kann sich noch so viel mit der Welt auseinandersetzen – am Ende machen wir immer dieselben Dummheiten?

Klaus Maria Brandauer: Vielleicht. Aber vielleicht wachsen mir diese Autoren gerade deshalb so ans Herz. Freunde müssen sie sein. Wie ich zu meinen Schülern gesagt habe: „Ich kenne den Willi!“ „Wer ist der Willi?“ „Na, Shakespeare!“

Es gibt Stimmen, die sagen, man dürfe keine Werke von Autoren lesen, die schlechte Menschen waren. Können Sie jeden Autor zu Ihrem Freund machen?

Klaus Maria Brandauer: Ja. Kann ich.

Wie?

Klaus Maria Brandauer: Durch das, was er geschrieben hat. Auch wenn er sich was zuschulden hat kommen lassen. Das kann mich nicht erschüttern. Im Gegenteil, ich würde mich fragen: Wie ist das mit mir? Ich bin eigentlich ganz gut, aber habe auch ich in mir eine Gegenwelt? Ja, habe ich. Auch geniale Künstler haben natürlich eine Gegenwelt und ihre Defizite. Wenn sie klug sind, steht das in den Werken, die sie schaffen. Dann können wir sie erkennen. Doch ich kann nicht von jedem verlangen, dass er mir gleich alles auf dem Präsentierteller hinlegt und sagt: Schau, das sind meine Sorgen. Aber seien wir großzügig, wenn er sie deklariert als seine Sorgen, die er gerne bekämpft hätte, doch nicht bekämpfen konnte, oder wenn die Zeit zu ihm gekommen ist, wo ein Verbrechersystem gesagt hat: Wenn du das nicht machst, dann! Also: Über-einen-Kamm-Scheren geht nicht.

Wir müssen lernen, differenzierter hinzuschauen?

Klaus Maria Brandauer: Unbedingt. Stattdessen ist jeder so schnell geneigt, irgendjemandem etwas nachzuschmeißen, ohne zu wissen, um was es überhaupt geht. Da steht was über einen Menschen in der Zeitung, und schon wird er verteufelt. Wir müssen unser eigenes Urteil bilden, unser Meister sein. Und dann erbitte ich außerdem dringend eine Großzügigkeit. Wer nicht weiß, was Großzügigkeit ist, der muss es lernen. Wobei man das eigentlich gar nicht erlernen kann, das muss man spüren. Wir brauchen alle dringend – ich will nicht mal sagen Hilfe, sondern Gespräche, Begegnungen. Die können auch still sein. Das ist oft wirkungsstärker als Getöse oder erhobene Zeigefinger.

Man erlebt viele erhobene Zeigefinger zurzeit...

Klaus Maria Brandauer: Ja, schrecklich. Ich habe das Gefühl, dass die Leute niemanden mehr ranlassen an sich. Aber nur das bringt uns ja weiter. Ein Gespräch. Oder eine Berührung. Das geht auch mit dem Atem, mit Blicken. Ich bin kein Schauspieler, der bloß eine Rolle spielt. Ich spiele ein Stück, einen Zusammenhang. Gemeinsam mit meinen Kollegen. Wir können einander nicht aus. Und dann haben wir noch die Freunde von oben, die die Stücke geschrieben haben, die senden kleine Botschaften: „Toi, toi, toi, du machst es gut.“ Dann geht das Saallicht aus, es wird dunkel im Theater – und der Zauber beginnt.

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Ein magischer Moment – wirkt der Zauber auch nach 60 Jahren noch auf Sie?

Klaus Maria Brandauer: Ja, ein Tag, an dem ich weiß, dass ich am Abend auftrete, ist ein anderer. Ich habe einen ungeheuren Ehrgeiz, ich möchte gern gut sein, wenn’s geht. Dabei weiß ich, dass kein Abend wie ein anderer sein kann. Selbst bei der äußersten Präzision. Es ist eine unglaublich großartige Geschichte, die ich da schon über so viele Jahre mache. Und doch hat man manchmal das Gefühl, man ist ein abgelutschtes Bonbon.

Was tut man, wenn man sich fühlt wie ein abgelutschtes Bonbon?

Klaus Maria Brandauer: Man macht eine Pause. Und sucht ein anderes abgelutschtes Bonbon und sagt: Wollen wir mal tauschen? Ich habe sehr viel vom Gegenüber gelernt, von Freunden, von ursprünglichen Feinden, von denen man irgendwann sagt: „Mensch, doller Kerl, habe ich gar nicht gewusst, so lang hat’s gedauert. Fein, dass es zumindest jetzt zwischen uns gelingt.“ Viel zulassen muss man. Also Großzügigkeit ist eine wichtige Sache.

Wie großzügig sind Sie selbst?

Klaus Maria Brandauer: Manchmal gar nicht. Das ärgert mich dann zwei Tage später: Wieso warst du denn so kleinkariert? Entsetzlich! Dann möchte ich am liebsten anrufen und sagen (weinerlich): „Du, ich hab’s nicht so gemeint.“

Aber Sie machen’s nicht?

Klaus Maria Brandauer: Manchmal ja, manchmal nein.

Wird das im Alter leichter? Werden Sie großzügiger?

Klaus Maria Brandauer: Also weise bin ich noch nicht geworden. Ich warte drauf. Neulich wurde ich von einem Journalisten nach meiner Meinung zum Krieg in der Ukraine gefragt. Was soll ich dazu sagen? Seitdem ich lebe, ist Krieg. In Irland, Israel, Korea. Dann kamen die Anti-Kriegsfilme. Wo wir dringesessen sind, als junge Burschen. Fasziniert von den dröhnenden Helikoptern. Und wir waren alle Amerikaner.

Die Guten.

Klaus Maria Brandauer: Ja, natürlich, wir waren die Guten. Bis man lernt, dass das alles Mumpitz ist. Krieg wurde immer schon über Bilder geführt.

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Selbst Kirchenbilder erzählen Kriegsgeschichten.

Klaus Maria Brandauer: Oh, zur Kirche habe ich meinen eigenen Zugang. Ich habe einen schönen Satz gelesen: „Ein Atheist von Gottes Gnaden.“ Der das geschrieben hat, ist mein Mann!

Ihre Selbstbeschreibung in Glaubensfragen?

Klaus Maria Brandauer: Ja, da bin ich dabei!

Wie steht es mit Ihrem Glauben an sich selbst? In Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ heißt es: „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann.“ Haben Sie immer gewusst, dass Sie fliegen können?

Klaus Maria Brandauer: Ja.

Wer hat Sie so beflügelt?

Klaus Maria Brandauer: Die Mutti, der Vati, der Großvater, meine Klassenkameradin Renate, die mich sehr geliebt hat, als ich sieben war.

Was macht Renate heute?

Klaus Maria Brandauer: Die ist in Bremen und ist gut verheiratet. Ab und zu schreiben wir uns.

Ein Gespräch, das nie endet?

Klaus Maria Brandauer: So ist es am schönsten.

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